Mittwoch, 15. Januar 2014

Praktikumsbeginn und Eingewöhnungsphase

Die erste Woche verging sehr schnell und ich denke, dass ich den ersten Kulturschock überwunden habe. Ich weiß gar nicht, wie ich die unzähligen Eindrücke, die permanent auf mich einprasseln, einigermaßen authentisch in Worte fassen kann, aber ich werde einmal versuchen, ein paar Erlebnisse mit euch zu teilen. 


Das Goethe-Institut

Ich wurde sehr herzlich von meinem neuen Kollegium des Goethe-Instituts empfangen und durch das Gebäude geführt. Das Institut ist sehr modern ausgestattet, hat eine schöne Dachterrasse, auf der wir immer Mittagspause machen, eine Bibliothek mit deutscher Literatur und eine kleine Aula.
Die erste Woche war ich im Language Department bei Susanna, Hema und Pragadish und habe mich als Sekretärin versucht. Wirklich entlastet habe ich meine Kollegen dabei eher nicht, weil ich erstens das System so schnell nicht durschauen konnte und zweitens nicht der Organisationsmensch bin, aber ich hatte trotzdem meinen Spaß, weil die Leute einfach so nett und unterhaltsam sind. Durch das Sortieren der Antragsformulare habe ich schon mal die unglaublich komplizierten Namen üben können. Ansonsten habe ich interne Anrufe entgegengenommen und Infos weitergegeben. 


Auf der Straße

Ich werde jeden Montag von Pragatesh mit seinem Motorrad abgeholt und dann fahren wir zusammen zum Institut. Dafür soll ich auf der Fahrt mit ihm Deutsch üben. Ich möchte nicht wissen, was ich da alles auf dem Weg einatme. Die Luft ist sehr staubig und versmogt. Die ungeschriebene Straßenverkehrsordnung ist mir ein großes Rätsel, aber irgendwie funktioniert das alles, auch wenn von links und rechts überholt wird und keine richtigen Spuren zu erkennen sind. Es gilt wohl: Wer zuerst kommt, malt zuerst. Von morgens bis spät abends ist grundsätzlich viel Verkehr auf den Straßen und als Fußgänger komme ich mir sehr unbeholfen vor. Ich fühl mich wie ein kleines Kind, das sich immer an irgendwelche Leute dranhängt und denen dann hinterherläuft. Die Passanten wundern sich dann manchmal etwas, aber das ist der einzige Weg für mich lebendig über die Straße zu kommen. Zebrastreifen und Ampeln sind eigentlich nur Straßendekoration. Manchmal stehe ich schon sehr lange da und warte und warte und warte…..
Nach der Arbeit fahre ich mit dem Bus zurück. Auch dabei bin ich sehr auf die Hilfe anderer Menschen angewiesen. Die Bushaltestellen erkennt man an den Ansammlungen wartender Menschen auf der Straße. Fahrpläne gibt es keine. Wenn man seine Busnummer sieht, springt man rein und setzt sich als Frau rechts, als Mann links. Dann gibt es einen Fahrkartenverkäufer. Ich bezahle für meine halbe Stunde Fahrt gerade mal 15 Cent, bei einem Bus ohne Türen nur 6 Cent. In den günstigeren Bussen fahren mehr Taschendiebe mit, daher muss ich in diesen Bussen besonders auf meine Tasche aufpassen. Bin ich in einen Bus eingestiegen, quatsche ich eine nett aussehende Frau an und die sagt mir dann, wo ich aussteigen muss. Dabei entsteht oft ein sehr nettes Gespräch, wenn wir uns sprachlich verständigen können. Die Menschen sind da sehr, sehr hilfsbereit.
Rikscha bin ich auch schon gefahren, aber das ist wesentlich teurer und trotz Meter (ein Gerät, das die Kilometer zählt) versuchen die Fahrer immer wieder den Preis zu erhöhen. Da ist es wichtig vorher zu wissen, wie viel man ungefähr zahlen muss und darauf zu achten, dass der Meter tatsächlich eingeschaltet ist.


Chapati und indische Gastfreundschaft

Als Vegetarier lebt es sich hier sehr gut. Hier fällt man eher auf, wenn man Fleisch ist. Daher muss man extra sagen, dass man Non-Veg. essen möchte. Das Brot, das hier viel gegessen wird, nennt sich Chapati. Das Vokabular für die anderen kulinarischen Speisen muss ich noch lernen. Heute war ich in einem Imbiss und habe einfach die Karte nicht verstanden und als der Kellner das merkte, wurde ich direkt in die Küche geführt, wo er mir schließlich die Gerichte zeigte. So war es leichter für mich, mein Essen auszuwählen. Was ich gegessen habe, weiß ich zwar immer noch nicht, aber es war lecker.
Letzten Freitag wurde ich in der Mittagspause spontan zu einem Essen im Haus der Schwiegermutter einer Kollegin eingeladen und da hatte ich die Möglichkeit, ganz viele Leckereien zu kosten. Das ganze Essen war ein großes Erlebnis für mich. Als wir ankamen, haben wir erst einmal unsere Schuhe ausgezogen. Alle waren barfuß, nur ich (die es nicht besser wusste…) habe meine Socken anbehalten. Die kleine Wohnung war bestimmt mit 50 Personen gefüllt. Im Esszimmer war ein Altar mit einer Gottheit aufgebaut. Drumherum war alles bunt mit Blumen, Räucherstäbchen und Kerzen geschmückt. Davor saßen rechts und links an der Wand Männer und Frauen im Schneidersitz, die gegessen haben. Wir sind erst einmal direkt ins Schlafzimmer und haben dort Familienangehörige begrüßt und ein schlafendes Baby bewundert, das sich von dem Lärm und Trubel nicht irritieren ließ. Nach einer Weile wurden wir zum Essen gerufen. Erst mussten wir vor dem Altar stehen. Ich glaube es ging darum, für das Essen zu danken. Anschließend haben wir uns gesetzt und vor uns wurden große Palmblätter (die Teller) platziert. Darauf mussten wir dann Wasser verstreichen. Und dann begann das eigentliche Essen. Es kamen viele Frauen mit ihren Töpfen und haben Reis, Soßen, frittiertes Gemüse, Joghurt und mir ganz fremde Dinge serviert. Gegessen wurde mit der rechten Hand und währenddessen wurde immer mehr aufgeschöpft. Ich kam überhaupt nicht hinterher und war voll damit beschäftigt, mein Essen nicht aus der Hand fallen zu lassen. Die Gastgeberin fragte mich dann besorgt, ob es mir nicht schmecken würde, weil ich so langsam esse. Dabei habe ich noch nie zuvor so lecker Indisch gegessen. Zum Schluss haben wir noch ein Abschiedsgeschenk (eine Banane) geschenkt bekommen und sind wieder zurück zum Institut gerast, weil der Kollegin einfiel, dass sie viel zu spät zum Unterricht kommt. 


Kollywood

Am selben Tag wurde ich noch ins Kino eingeladen. Es kam ein neuer Film mit einem hier sehr bekannten, tamilischen Schauspieler heraus. Darauf hatte ich große Lust, also bin ich mitgegangen. An der Sicherheitskontrolle vor dem Kino wurden erst mal meine 5 Kaugummi in Beschlag genommen, da diese ja Nahrungsmitteln seien…
Als wir dann im voll besetzten Kino saßen, ging es leicht verspätet los. Es war ziemlich unruhig, da immer wieder Leute kamen. Als der eigentliche Film dann begann, fingen auf einmal alle Leute zu grölen und zu schreien an (so ein bisschen wie im Fußballstadion). Nach einigen Minuten wurde der Protagonist auf die Leinwand projiziert (erst die Hand, dann der Fuß und schließlich der Held in Person). Dabei sind die Zuschauer völlig ausgetickt. Ich habe mich daher mehr über die Zuschauer, als über den eigentlichen Film amüsiert. Sie haben den ganzen Film über mitgefiebert, gepfiffen und gelacht. Da musste ich gleich an mein Kinoerlebnis in Heidelberg denken, als sich eine Frau neben mir beschwerte, dass ich zu laut an meinem Popcorn schmatze…
Der Film war voller Action, Liebe und Komik (typisch Kollywood). Lachen musste ich, als einige Tanzszenen kamen, die in der Schweiz gedreht wurden. Der Film war auf Tamil, aber die Handlung habe ich auch so verstehen können.
Kollywood ist übrigens die Bezeichnung für die tamilische Filmindustrie.


No Simcard for Foreigners?!

Nachdem ich ca. 7 Mal einen Handyshop aufsuchen musste, habe ich endlich eine Karte bekommen und bin jetzt sehr froh, endlich mobil zu sein. Anscheinend verkaufen sie hier Ausländern ungern Handykarten, weshalb ist mir jedoch nicht ganz klar. Das erste Mal bin ich voller naivem Optimismus in einen Handyladen gegangen und meinte, ich bräuchte eine Simacard. Der Verkäufer erwiderte darauf, dass ich einen Reisepass vorlegen müsste. Also kam ich später mit meinem Reisepass vorbei. Daraufhin meinte der Verkäufer, dass ich eine Kopie bräuchte. Ich fragte ihn, weshalb und er meinte nur, ohne Kopie ginge es nicht. Also schickte er mich zum Kopieren zu einer Bank, die geschlossen hatte. Beim dritten Besuch dachte ich, dass ich nun alles parat hätte. Als ich alles vorlegte, meinte der Verkäufer nur trocken, dass ich ein Passfoto bräuchte. Spätestens da war ich ziemlich genervt, vor allen Dingen, weil er mir nicht erklären könnte, wofür er all das brauchte und mich für jede Sache einzeln laufen ließ. Also versuchte ich mein Glück in einem anderen Handyladen. Dort fand das Mädchen, das dort arbeitete, erst einmal interessant, woher ich kam und was ich hier in Indien mache. Außerdem war sie sehr erfreut, dass ich sie auf Englisch verstehen konnte (und auch ich war froh, dass sie mich verstand). Die Unterhaltung war sehr nett, aber ich wollte ja eigentlich eine Handykarte. Das Mädchen und ihre Kollegen waren sichtlich bemüht, telefonierten hin und her und brachten mich schließlich persönlich zur Konkurrenz, doch auch da wollte man Passfotos von mir. Also bin ich am nächsten Tag mit Passfotos, die mein Kollege extra aus meinem Reisepass kopierte, zum nächsten Handyshop. Diese Fotos waren dann wieder zu groß, weshalb ich zu einem Fotoshop geschickt wurde und neue Fotos machen lassen musste. Nach langem Hin und Her habe ich dann endlich, endlich eine Simcard bekommen und habe mich gefreut wir Oskar. 


Tamil und irritierende Körpersprache

Viele Einheimische sprechen mehrere Sprachen und einige sprechen sehr gutes Englisch. Dennoch habe ich bei vielen noch Schwierigkeiten, sie zu verstehen und umgekehrt werde ich oft nicht verstanden. Das R wird grundsätzlich gerollt und die T-Laute am Ende eines Wortes werden extrem betont. Probiert das mal aus, das hört sich interessant an…
Manchmal werde ich auf Tamil oder einer anderen Sprache zugequatscht. Interessant ist auch, dass die Inder untereinander eine Mischung aus Tamil und Englisch sprechen. Das  ist gut für mich, da ich so zumindest ein wenig mit Hilfe des Kontextes erschließen kann. Was mich besonders irritiert ist die Körpersprache. Ein „Ja“ wird dabei oft mit einem Hin-und Herschütteln des Kopfes signalisiert, was unserem Kopfschütteln sehr ähnlich ist.
Was immer verstanden wird, ist mein Lächeln, das mir immer Türen öffnet
J.
Ich habe fest vor, Tamil zu lernen und auch schon einen Deutschlehrer am Institut kennengelernt, der eine andere Praktikantin unterrichtet und mich eingeladen hat, mitzumachen.
Der Bericht wurde nun doch ausführlicher als geplant und trotzdem kann er meine ganzen Erlebnisse nur ansatzweise widergeben. Wenn ihr wirklich wissen wollt, wie es hier ist, müsst ihr einfach selbst mal eine Reise hierher wagen. 

Ich fühle mich jedenfalls sehr wohl und bin gespannt, auf das, was noch kommt. 

Viele sonnige Grüße nach Deutschland!
Tempelbau

Ein Strand in der Nähe
Mein Frühstück
Blick aus dem Fenster










Meine vorläufige Unterkunft



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